19.2.2003 Nr. 13 epd medien Seite 35 |
zwischengerufen Wunder-Wutka. Ein echter Heimatfilm im Leipziger Ost-Schrott epd „Ein Wunder” ist das alles für Bernhard Wutka. Sein Projekt-Film über ein heruntergekommenes, aber neu auflebendes Stadtviertel im Leipziger Osten ist ein Publikumsrenner. Jede Vorstellung im Programmkino proppenvoll, außerplanmäßige Sondertermine schon angesetzt. Zwei Jahre ist der Professor mit Studenten durch den Leipziger Osten gezogen, hat die Kamera eingeschaltet, Menschen getroffen, besucht und begleitet. Ein Dokumentarfilm, in dem alle ausgiebig zu Wort kommen, ohne dass sich Langeweile breit macht. Dabei beschränken sich Kameraführung, Schnitt und Montage auf die gewohnten Standards. Der Atem, die interessierte Spannung entsteht durch die Geschichten der Leute aus dem Quartier. „Echte” Menschen, denen man problemslos begegnen könnte, was einem so ein Film aber dankenswerter Weise abnimmt. Etwa der chronisch klamme und etwas spinnerte Chef eines kleinen Reisebüros, der angeblich den Oberbürgermeister als Kunden hat und „wegen zweier wirklich zufällig nicht bezahlter Tankstellenrechnungen” einfach mal acht Wochen „in den Kerker” geht; im Döner-Laden singende und gegen Vorurteile argumentierende Palästinenser; ein aus dem Westen zugezogener „Investor”, der ein Kunsthotel betreibt und die viergeschossigen Gründerzeit-Bruchbuden im Umfeld als preisgünstige Medienateliers herrichten will. Familien, in denen der Vater sich als „Alt-Skin” bezeichnet und seine ziemlich übel zugerichteten Kinder von den Drogen weghalten will; eine Ost-Frau, deren Mann nach Arbeitslosigkeit und Umschulung in den alten Bundesländern arbeitet; und schließlich ein alkoholkranker Alter. Der zieht mit strubbeligen Haaren mit einem Handkarren durch die Hinterhöfe, liest dort zwischen gebrauchten Fixerbestecken Schrott auf und verwandelt den beim Metallhändler in Bares. „Die Liebe zum Schrott und andere Leidenschaften” heißt der Film dann auch, ein Kaleidoskop von Lebensweisen im Umkreis von 500 Metern. Der Stoff dafür lag auf der Leipziger Eisenbahnstraße. Thomas Heise, der in „Neustadt Stau - Stand der Dinge” ähnlich mit Respekt und unaufdringlicher Neugierde arbeitete, bekommt damit Nachwuchs. Hoffentlich bleiben Doberitzsch, Brandt und Breest unter dem erfahrenen Wutka am Ball und lassen sich nicht von der GEMA (750 Euro für die abgefilmte Blues-Einlage einer Band auf der Straße) abwürgen. Und vielleicht wagen die Mitteldeutsche Medienförderung und der MDR ja mal was, ein paar raffende Schnitte und Untertitel für die allzu harten Dialekt-Einlagen zum Beispiel. Dann ist dieser Heimatfilm reif für eine größere Leinwand und ein potenziell bundesweites Publikum. Das wäre (sicher nicht nur für Wutka) ein richtig schönes Leipziger Medien-Wunder. |
leo |