Leipziger Volkszeitung vom 15. Juni 2001 |
Der Dreh mit dem Dreh: Dokfilm soll Image des Ostens aufpolieren HTWK-Studenten filmen für das Image der Stadt Ein Dokumentarfilm soll Leipzigs Osten zu einem neuen Image verhelfen. Angehende Diplomingenieure für Medientechnik an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) interviewen derzeit im Rahmen des Förderprogramms „Soziale Stadt“ Bewohner und Geschäftsleute aus dem Viertel mit dem schlechten Ruf und schauen mit der Kamera hinter die Kulissen.
„Wer sich von leeren Läden und kaputten Fassaden etwa in der Eisenbahnstraße abschrecken lässt, zieht oft falsche Schlüsse“, warnt Privatdozent Bernhard Wutka, der die Studenten Frank Breest, Ralf Schauer und Thomas Doberitzsch betreut. „Schnell werden die ,Ghetto'-Bewohner dann undifferenziert zu Verlierern gestempelt. Dabei treffen wir viele, die sich engagieren und trotz fehlender Arbeitsplätze und schlechter Infrastruktur gern im Leipziger Osten leben." Ausländer? Drogen? Sicher, damit gäbe es Probleme. Aber man könne damit leben. „Die Leute hier sind viel zufriedener, als man annimmt“, erklärt Wutka, der sich für Stadtsoziologie und Milieufragen interessiert und in Barcelona bereits einen vergleichbaren Streifen gedreht hat.
„Die Idee hatte der Titanic-Filmclub“, erzählt HTWK-Student Frank Breest. „Aber dem fehlten Mittel und Leute, um das Projekt umzusetzen.“ Also nahm sich der Fachbereich Polygraphie der Sache an, betritt mit TV-Labor und Rückendeckung durch Dekan Thomas Heß Neuland. „Normalerweise gehen wir bei einem Praxis-Einsatz in Firmen und sind dort irgendwie involviert“, sagt Frank Breest. „Aber hier haben wir völlig freie Hand, von den ersten Fotos bis zum Schnitt.“
„Die Studenten absolvieren ihr Praktikum bei uns“, sagt Petra Hochtritt, im Amt für Stadtsanierung und Wohnungsbauförderung fürs Stadtteilmanagement des Leipziger Ostens zuständig. Ihr Film, für den sie von der Stadt eine „kleine Aufwandsentschädigung“ erhalten, gehört zum Förderpaket „Soziale Stadt“, mit dem Bund, Länder und Gemeinden die Bildung sozialer Ghettos nach US-Vorbild verhindern wollen. „Der Film soll dazu beitragen, das Image des Gebiets zu verbessern und Identität zu stiften“, so Petra Hochtritt.
Stoff bieten die Neustadt, Volkmarsdorf, Sellerhausen, Schönefeld, Reudnitz und Anger-Crottendorf genug: Da ist Schrottplatzchef Bodo Wachtel, der sein Auskommen genauso gefunden hat wie Kernphysiker Klaus Eberhard, der in seinem Hotel „Leipziger Hof“ Kunst sammelt. Studenten mögen den Osten wegen der niedrigen Mieten. Und auch auf Leipzigs vermutlich einzigen Sikh-Tempel stieß das Filmteam: „Der ist unterm Dach eines Wohnhauses“, so Wutka. Sonntags treffen sich dort indische und deutsche Familien, reden und essen. „Erst wenn man die Lebensrealität von Bewohnern begreift, weiß man, was einen Stadtteil ausmacht“, sagt Wutka. „Wir stellen ein Stück Objektivität her.“
Ein Dutzend Schicksale soll in dem einstündigen Streifen nachgezeichnet werden. Nach seiner Vorstellung beim Forum Leipziger Osten im Herbst wird er Filmkunstbühnen angeboten. Und die „Schauspieler“ lädt die Crew zu einer Vorab-Premiere ins Jugendzentrum „Rabet“.
I. Rosendahl
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